"Die toten Vögel sind oben"

ein Dokumentarfilm von Sönje Storm

 

am 16.09.2023

um 19 Uhr

im Gerichtssaal Kloster Rehna

 

 

Die vierten bundesweiten LETsDOK Dokumentarfilmtage finden vom 11.-17. September 2023 statt.

Im Kloster Rehna ist im Rahmen der Dokumentarfilmtage am 16.09.2023 der Film "Die toten Vögel sind oben" zu sehen.

 

 

Regisseurin Sönje Storm öffnet in ihrem Film den Nachlass des Bauern Jürgen Friedrich Mahrt (1882-1940), der ihr Urgroßvater war. Im Ersten Weltkrieg wurde er für die Luftaufklärung zum Fotografen ausgebildet und an der Westfront eingesetzt. Ab 1919 beobachtet und dokumentiert er die Veränderungen in seiner Heimat: die menschlichen Eingriffe in die Naturlandschaften, den Rückgang der Arten. Er sammelt die Tiere seiner Zeit und eröffnet 1928 in seinem Bauernhaus ein privates Naturkundemuseum. Mahrt beobachtet die fortschreitende Zerstörung fragiler Ökosysteme wie der Moore, dabei dokumentiert er Ursachen unserer Klimaprobleme: Bilder aus der Frühzeit des Anthropozäns.

 

 

Der Film wurde beim renommierten Dokumentarfilmfest „DOK Leipzig“ 2022 mit der Goldenen Taube ausgezeichnet und erhielt einen Preis der ökumenischen Jury beim Achtung Berlin Festival 2023.

 

Im Anschluss an die Filmvorführung folgt ein Podiumsgespräch mit Rolf Ziebarth (Förster) und Dr. Manfred Leberecht (Landwirt) moderiert von Ulrich Koglin.

 

 

Rolf Ziebarth hat als Revierförster sein Berufsleben dem Natur- und Artenschutz gewidmet – schon lange Jahre vor Gründung des Biosphärenreservats Schaalsee. Heue ist er im Vorstand des Fördervereins Biosphäre Schaalsee.

 

Dr. Manfred Leberecht, Jahrgang 1960, betreibt in Grabow einen landwirtschaftlichen Öko-Betrieb mit Mutterkühen und Bullenmast. Das theoretische Rüstzeug dafür erwarb er während seines Studiums der Pflanzenproduktion an der Humboldt-Universität zu Berlin. Mit seinem landwirtschaftlichen Betrieb in Grabow trat er bereits Anfang der 90er in den Bauernverband ein.  Dr. Manfred Leberecht ist seit vier Jahren Vizepräsident des Bauernverbandes MV. In dieser Position hat er sich in den Themenbereichen Umweltpolitik und ökologischer Landbau engagiert.

 

 

 

Diese Aufführung ist ein Teil des umfangreichen Programms von LETs DOK in Mecklenburg- Vorpommern. Die bundesweiten Aktionstage mit Dokumentarfilmen wurden 2020 initiiert und finden 2023 zum vierten Mal statt.

 

Vom 11. – 17. September 2023 werden in ganz Deutschland künstlerisch anspruchsvolle, bewegende Dokumentarfilme gezeigt, begleitet von Filmgesprächen, kuratierten Arthouse-Filmreihen, Paneldiskussionen und großen Film-Events.

 

 

Das Besondere: LETsDOK bringt den Dokumentarfilm ins Kino, aber auch an ungewöhnliche Orte, an die er sonst nie käme: Kirchen, Museen, Höfe, Synagogen, Höhlen, U-Bahn-Stationen, Gärten, Klöster und viele mehr. LETsDOK zeigt Filme auch abseits der Metropolen und macht den Dokumentarfilm als meinungsbildendes Medium für ein breiteres Publikum erlebbar. Bei den Vorstellungen sind die Filmemacher*innen oder andere Expert*innen für ein vertiefendes Gespräch mit dem Publikum vor Ort.

 

Das Festival steht 2023 unter dem Motto: “Let’s go green! Let’s feel real! Let’s stand up!” Es werden Dokumentarfilme aller Genres, aus verschiedenen Produktionsjahren und an ganz unterschiedlichen Orten gezeigt.

 

Das gesamte Programm für Mecklenburg-Vorpommern ist unter:

 

https://letsdok.de/kinos/#mecklenburg-vorpommern

 

 

Der Eintritt ist frei.

 

Eine Filmkritik vonChristian Neffe

Schatzfund auf dem Dachboden

Der Mann im weißen Kittel blickt auf das gerahmte Brett vor sich, sein Finger wandert zwischen den aufgespießten Schmetterlingen umher, die darauf fein säuberlich in Reihen angeordnet sind. „Diese Art ist ausgestorben, diese Art ist ausgestorben, diese Art ist ausgestorben …“, zählt er auf. Gut 100 Jahre sind vergangen, seit die hier drapierten Insekten über die Felder Schlesweig-Holsteins flatterten. Präpariert wurden sie einst von Jürgen Friedrich Mahrt, Naturdokumentar und Fotograf, der 1882 zur Welt kam und 1940 verstarb.

Vor einigen Jahren hat Mahrts Urenkelin Sönje Storm den Dachboden des ehemaligen Familienanwesens räumen lassen und die dort befindlichen Exponate, Museen und Forschungseinrichtungen überantwortet. Und dieser Schatz ist riesig: tausende Fotografien, hunderte Insektensammlungen und ausgestopfte Vögel. Sie alle zeugen wie die Schmetterlinge in der Hand des Weißkittels von einer Zeit, seit der vieles geschehen ist. Allem voran der Verlust von Artenvielfalt und eine massive Veränderung des Landschaftsbildes in Deutschlands Norden.

Aus dem Off spricht Storm direkt zum Publikum, berichtet von Marths Lebensgeschichte und Leidenschaft für die Natur. Ihr Urgroßvater verwehrte sich der landwirtschaftlichen Familientradition, gab den Hof schon früh an seine Söhne weiter, war im Ersten Weltkrieg als Aufklärungsfotograf an der Front und widmete sich schließlich seiner Umwelt. Storm stellt sich selbst die Frage: War er nur ein Tagträumer oder ein Idealist mit einem Ziel, das wichtiger war als der Hof?

Wahrscheinlich beides. Denn einerseits dokumentierte Mahrt die Natur seiner Zeit in aller (soweit damals technisch möglichen) Authentizität. Andererseits griff er auch ein oder verfremdete diese Dokumente teils künstlerisch, sowohl durch Kolorierung als auch das Stellen von Fotografien: Wie sich herausstellt, handelte es sich vor allem den Greifvogelbildern vielfach um ausgestopfte Tiere, die er in möglichst natürlicher Pose ablichtete. Mahrt erweist sich als überaus ambivalenter Protagonist.

Das Herausragende an Die toten Vögel sind oben ist jedoch, wie Sönja Storm und ihre Filmeditorin Halina Daugird das neu gefilmte Material (Fachkundige, die Mahrts umfangreich Nachlass einordnen) mit Nahaufnahmen von Mahrts Fotografien verknüpfen. Die Montage verfügt über einen packenden Rhythmus, dem die sphärische, gern auch mal bedrohlich anschwellende Electronica-Musik von Dominik Eulberg und Bertram Denzel eine untergründige Mystik und Dramaturgie verleiht, ohne dass dies jemals aufdringlich wird.

Dem langen, ausführlichen Blick in die Vergangenheit fügt Storm am Ende einen nachdrücklichen Appell mit Blick auf den Klimawandel und das Artensterben an. Einst dokumentierte ihr Großvater, wie Moore entwässert wurden, wie die Sturmfluten das Land unter einem halben Meter Wasser begruben. Solche Fluten gebe es heute dank des Deichbaus nicht mehr, sagt Storm. Und dennoch: „Uns zeigen seine Bilder unsere Zukunft.“